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Channel: Anat Admati – Fazit – das Wirtschaftsblog
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Die Kosten hoher Bankdividenden

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Hier müssen Geldpolitik und Bankaufsicht an einem Strang ziehen: Eigenkapitalstarke Banken sind nicht nur gesünder, sondern wirken über die Kreditvergabe auch belebend auf das Wirtschaftswachstum. Außerdem schauen wir, wie Ökonomen heute diskutieren.

In der Eurozone sind viele Banken nicht gesund. Einen in der Diskussion bisher selten beachteten Grund hat am Donnerstag der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Hyun Song Shin, genannt: Die Aktionäre fordern vor allem von südeuropäischen Banken zu hohe Dividendenausschüttungen. Shins auf frühere Erfahrungen aus einer Vielzahl von Ländern gestützte These lautet: Je besser Banken mit Eigenkapital ausgestattet sind, umso mehr sinken ihre Kosten für Fremdkapital und umso mehr Kredite werden sie vergeben. Zur Erinnerung: Die Forderung nach einer hohen Eigenkapitalausstattung war vor ein paar Jahren das zentrale Thema des Buches „Des Bankers neue Kleider“ von Anat Admati und Martin Hellwig. In Deutschland hatte die Bankenlobby hatte darauf mit dem Ladenhüter zu reagieren versucht, zu viel Eigenkapital erschwere angeblich die Kreditvergabe und schade dem Wirtschaftswachstum.

Dividendenausschüttungen reduzieren jedoch das in Banken zur Verfügung stehende Eigenkapital. „Es besteht eine Analogie zwischen dem Eigenkapital von Banken und dem Fundament eines Hauses“, sagte Shin auf einer vom Center for Financial Studies ausgerichteten internationalen Konferenz in Frankfurt. Die durch Verschuldung finanzierte Kreditvergabe ähnele dann dem Aufbau des Hauses: Je höher sich eine Bank verschulde, umso höher werde das Haus. Shin nannte als Beispiel das Sutyagin-Haus im russischen Archangelsk, das im Jahre 2007 als größtes Holzgebäude der Welt galt, aber auf einem kleinen Fundament ruhte. Im Jahre 2012 brannte das Haus ab. Dies sei eine Analogie zu den Vorgängen an den Finanzmärkten jener Zeit, bemerkte Shin. Beim Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2007 seien viele Banken hoch verschuldet gewesen; wenige Jahre später hätten sie sich dann in großen Schwierigkeiten befunden.

Eine Betrachtung von 90 Banken aus der Eurozone zeigt, dass in den vergangenen Jahren ein beachtlicher Teil der Gewinne ausgeschüttet und nicht einbehalten wurde. Dies gilt vor allem für Banken in Spanien, Frankreich und Italien, weniger für Banken in Deutschland und den Niederlanden. Wären die Dividenden als Eigenkapital in den Banken verblieben, hätten die Banken mehr Kredite vergeben können, und die Wirksamkeit der Geldpolitik würde zunehmen, sagte Shin. Über die Ausschüttungen der Banken entscheiden üblicherweise die Eigentümer der Banken.

„Wir können die Frage aufwerfen, ob Spannungen zwischen den privaten Interessen mancher Bankaktionäre und dem größeren öffentlichen Interesse an einem gesunden Banksystem existieren, das Kredit zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums vergibt“, bemerkte Shin. Der Koreaner erinnerte daran, dass zu den Bankaktionären Vermögensverwalter gehören, die im Wettbewerb untereinander kurzfristig hohe Renditen ausweisen wollen: „Wenn der Aktienkurs einer Bank deutlich unter dem Buchwert des Eigenkapitals liegt, können Aktionäre auf die Idee kommen, aus ihrer Anlage einen Wert zu generieren, indem sie eine Dividendenausschüttung beschließen, auch wenn sie damit die Grundlage der Bank zur Kreditvergabe beschädigen“, folgerte Shin. Die Vorstände der Banken sähen eine niedrigere Eigenkapitalausstattung oft nicht als Nachteil, weil sie damit leichter Zielvorgaben für die Eigenkapitalrendite erreichen könnten.

 

Die Kosten negativer Zinsen

Kritisch äußerte sich Shin zum Negativzins von Notenbanken mit Blick auf die Folgen für die Kreditvergabe der Geschäftsbanken. Die häufig auch von Vertretern der deutschen Finanzwirtschaft beklagte nachteilige Wirkung auf die Rentabilität der Banken hält Shin aus der Perspektive der Branche nicht für zentral, da Banken auf eine geringere Rentabilität im Kreditgeschäft mit einer Ausweitung anderer Geschäfte wie der Vermögensverwaltung antworten könnten. Allerdings führt eine geringere Rentabilität des Kreditgeschäfts aus gesamtwirtschaftlicher Sicht zu Nachteilen, wenn für das Wirtschaftswachstum notwendige Kredite nicht vergeben werden.

Rücksichtnahme auf die Rentabilität der Banken im Kreditgeschäft habe in den vergangenen Jahren die Bank of England davon abgehalten, Negativzinsen einzuführen, sagte ihr früheres Führungsmitglied Charles Bean auf der Konferenz in Frankfurt. „Wie sollen Banken Gewinne einbehalten, wenn die Geldpolitik ihre Rentabilität untergräbt?“, fragte der deutsche Ökonom Martin Hellwig mit Blick auf den Negativzins an die Adresse der EZB. Der Chefökonom der EZB, Peter Praet, hielt der Kritik entgegen, wenn der Negativzins zu einer Belebung der Wirtschaft führe, profitierten davon auch die Banken.

Dass die Banken den negativen Einlagenzins der EZB nicht an ihre Privatkunden weitergeben, führt nach Shins Analyse zur Beschädigung des Kreditgeschäfts. Denn wenn der negative Einlagenzins zur Reduzierung der von Banken verlangten Kreditzinsen führe, die Banken aber ihren Zins für Kundeneinlagen nicht mehr senken könnten, senke ihre Gewinnmarge. Dies führe zu niedrigeren Gewinnen und zu einer geringeren Bereitschaft, Kredite zu vergeben. Dies lässt sich nach den Worten Shins vor allem in Ländern beobachten, in denen ein hoher Anteil des Fremdkapitals der Banken aus Einlagen von Privatkunden bestehe. Praet meinte, dass die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells, bei dem eine Bank glaube, sie könne sich risikolos billig refinanzieren und risikolos zu höheren Zinsen Geld verleihen, überprüft werden müsse.

 

Wie Ökonomen debattieren

Jenseits der konkreten Erörterungen bot Shins Auftritt Gelegenheit zu sehen, wie Ökonomen heute argumentieren. Shins Argument läuft darauf hinaus, dass es wichtig ist, in gesamtwirtschaftliche Analysen den Finanzsektor stärker zu beachten – dies hatte der makroökonomische Mainstream der vergangenen 30 Jahre nicht mehr getan, wie Shin bestätigte:

„I remember a long discussion over coffee with a distinguished macroeconomist in early 2008. At issue was whether bank failures can be expected to have any adverse impact on the economy. His argument was simple, and in some ways compelling. Banks are intermediaries; lenders give funds to Banks who then lend on to ultimate borrowers. If banks are not there to be the middle men, lenders will surely find other ways to lend to ultimate borrowers. Market instruments could take the place of banks; new intermediaries will spring up to take their place. There may be short-term disruptions, but as long as there are willing lenders and willing borrowers, the market will find a way to match them. What was all the fuss about? We argued about the severity of the possible feedback effects to the real economy but we did not manage to agree that morning, in spite of many cups of coffee.“

Nun sind wir nicht mehr im Jahre 2008 und mittlerweile akzeptieren viele Makroökonomen, dass man nicht länger den Finanzsektor in gesamtwirtschaftlichen Analysen negieren kann. Das heißt aber nicht, dass der Mainstream Analysen à la Shin vorbehaltlos akzeptiert. Eine typische Replik kam auf der Frankfurter Konferenz von EZB-Chefökonom Praet, der auf den partialanalytischen Charakter der Analyse hinwies. Gemeint ist, dass Shin die gesamtwirtschaftliche Wirkung negativer Zinsen alleine aus ihrer Wirkung auf die Rentabilität von Banken und daraus folgende Kreditvergabe ableitet. Das mag ein Wirkungskanal sein, aber es sind auch andere möglich ohne die Einschaltung von Banken: So können negative Zinsen die privaten Haushalte zu mehr Konsum und weniger Ersparnisbildung veranlassen, auch wenn das nicht zwingend ist. Wahr ist, dass hier der Stein der Weisen noch nicht gefunden wurde. Partialanalysen können wichtige Erkenntnisse vermitteln und haben daher ihren Platz, aber ihre Aussagekraft ist notwendigerweise eingeschränkt. Andererseits werden gesamtwirtschaftliche Totalmodelle sehr schnell sehr unhandlich und sehr kompliziert, wenn sie detaillierte Betrachtungen in einzelnen Wirtschaftssektoren abbilden sollen.

In dogmengeschichtlicher Hinsicht sind John Maynard Keynes in der Tradition der Cambridge-School sowie Milton Friedman die wohl berühmtesten Anhänger von Partialanalysen gewesen, während die Totalmodelle in den vergangenen Jahrzehnten in der Makroökonomik an Bedeutung gewonnen haben.

von Gerald Braunberger erschienen in Fazit - das Wirtschaftsblog ein Blog von FAZ.NET.


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